Die Ungarische Sprache - A magyar nyelv
Das Präsens - A jelen idő
Übersicht
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Der Schrecken aller Sprachen |
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Überblick über die Suffixe der unbestimmten Konjugation Personal- pronomen nicht unbedingt nötig Varianten bei den hochvokalischen Verben Grammatikalische Hilfe zur Aussprache ... und ein wenig Wahlfreiheit Eine Ausnahme für die 2.Person Einzahl Die Pronomen für die höfliche Anrede Die Unterschiede zwischen "maga" und "ön" 3.Personen für die höfliche Anrede Beispiele für die höfliche Anrede ... und unterschiedliche Sichtweisen Sieben kleine Unregelmäßige auf einen Streich Beispiele für die Konjugation der ik-Verben Aufführung der Besonderheiten der ik-Verben Der Unterschied zwischen "fő" und "főz" Was haben eine "Frau" und das "wachsen" gemeinsam? Der Einstieg in die bestimmte Konjugation Eine Sonderform und die berühmten drei Worte ... und ein paar Erklärungen dazu ... und darfs noch ein Bindevokal dazu sein? Ein wenig über das Wesen der bestimmten Konjugation Die Endungen für tiefvokalische Verben ... und zwei weitere Beispiele Die Endungen für die hochvokalischen Verben ... und für solche mit labialem Stammvokal Werbung lügt! Auch bei der Aussprache! Zwei Verben, die man unbedingt kennen und verstehen sollte Einige kurze aber häufige Wendungen. Ausnahmen bei der bestimmten Konjugation zur besseren Aussprache Die Konjugationen von "eszik" und "iszik" Noch einmal die v-Stamm-Verben Sagen wir es mit oder ohne Bestimmtheit? Namen und Pronomen dritter Personen Nebensätze und Besitzerzeichen Kein oder ein unbestimmter Artikel Infinitivformen ohne bestimmende Ergänzung Fragewörter und fehlende Ergänzungen Die Bevorzugung des Präsens gegenüber dem Futur
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Es heißt ja immer wieder, man soll im Hier und Jetzt leben, egal, wo und wann auch immer. Und das tun die meisten bekanntliche auch, selbst sprachlich. Vorausgesetzt natürlich, wir lassen uns nicht zu viele Geschichten erzählen - wenn wir es nicht schon selber tun. Denn diese haben ja - mal abgesehen vom Wahrheitsgehalt - in der Regel die Eigenschaft, in der Vergangenheit abgefasst zu sein - selbst, wenn sie in der Zukunft spielen. Wenn wir also ausdrücken wollen, was wir gerade tun, was wir fühlen und empfinden aber auch, was uns alltäglich bzw. in schöner Regelmäßigkeit beschäftigt, dann benutzen wir die Gegenwartsform der Verben, das sogenannte Präsens. Es ist die Zeitform, die man als Schüler als erstes näher erläutert bekommt. Und wenn es darum geht, ein Verb zu konjugieren - also zu beugen - dann ist in erster Linie damit die Zeitform des Präsens gemeint. Auf den folgenden Seiten hast Du nun die Möglichkeit, einen Einblick in die ungarischen Gegebenheiten der Gegenwartsformen zu werfen, und zwar erstmal nur die Formen des Indikativs. Dem Konjunktiv wird dann zeitübergreifend ein eigenes Kapitel gewidmet.
Nun, zumindestens ein Verb sollte der geneigte Ungarischlernende nun schon von der Konjugation her beherrschen, da diesem ja gleich ein eigenes Kapitel gewidmet wurde: das Sein-Verb, auf ungarisch "van", dessen Nennform aber "lenni" lautet. Schauen wir uns dieses also ruhig noch einmal an:
Der Wortstamm von "van" mag ein wenig abwechselnd sein, die Konjugationsendungen hingegen sind regelmäßig. Wer also die Konjugation von "van" beherrscht, hat schon einmal die Hälfte der Hälfte zur Konjugation ungarischer Verben verinnerlicht. Nur die Hälfte der Hälfte? Ja, denn
wie schon erwähnt, ist Ungarisch eine vokalharmonische
Sprache. Das heißt, dass in den meisten Fällen für benötigte
Endungen immer mindestens zwei Formen existieren: eine hochvokalische
und eine tiefvokalische. Und das ist bei den Verben nicht anders. Aus diesem Grund gibt es für die Konjugationsendungen immer mindestens zwei Varianten, teilweise sogar drei.
Ja, und was ist nun mit der anderen Hälfte gemeint? Im Ungarischen existieren zwei Konjugationsformen: die unbestimmte und die bestimmte Konjugation, beide mit eigenen Endungen und wiederum entsprechenden hoch- und tiefvokalischen Ausprägungen. Stürzen wollen wir uns aber zuerst auf die unbestimmte Konjugation. Werfen wir
also nun einen Blick auf die unbestimmte Konjugation im Ungarischen für
die Zeitform Präsens.
Schau Dir bitte die folgenden Verben in ihren unbestimmten Konjugationen an:
Wie man sieht,
ist die dritte Person Einzahl endungslos - es gibt natürlich
auch Ausnahmen, dazu im späten Verlauf mehr.
Jede Person hat ihre eigene spezifische Endung. Aus diesem Grund ist die Nennung des Personalpronomens nur dann nötig, wenn Nachdruck auf die Person gelegt werden soll. Dazu nun ein paar Beispiele.
Wie bei der
Pluralbildung der Substantive sind auch bei den hochvokalischen Verben
zwei Gruppen zu unterscheiden. Sind die
Stammvokale labial, also "ö"
oder "ü" bzw. deren
lange Varianten, dann lauten die Endungen wie bei "ül":
-ök, -sz,
---, -ünk,
-tök, -nek. Und in dieser Art und Weise, wie eben die Endungen aufgeführt wurden, werden von nun an die Konjugationen der Verben aufgeführt, also ohne Personalpronomen und in der Reihenfolge von der 1.Person Einzahl bis zur 3.Person Plural.
Ja, was geschieht
eigentlich bei Mischfällen, wo beide Vokalgruppen auftauschen? kerül
(meiden; gelangen): könnyít
(erleichtern): Soviel dazu.
Aber halt! könnyít
(erleichtern): Wieso tauchten da bei einigen Personen diese "e" in Klammern auf? Das hat nun wieder etwa mit der Ausspracheerleichterung zu tun. Endet ein Verbstamm auf zwei Konsonanten oder einen langen Vokal gefolgt von einem "t", dann kommt bei der Infinitivform und in den 2.Personen sowie der 3.Person Mehrzahl ein Bindevokal ins Spiel. Dieser Bindevokal kann, je nach Vokalismus des Verbs, ein "a", "e" oder auch ein "ö" sein. Das "ö" taucht allerdings nur bei der 2.Person Mehrzahl auf, da sich dieser Bindevokal nach dem Erscheinungsbild der Konjugationssilbe ausrichtet.
Dazu nun ein paar Beispiele: mond
(sagen) ért
(verstehen) küld
(schicken)
So, und jetzt kommt die große Erleichterung. Diese(!) Bindevokalgeschichte ist grammatikalische Theorie, die der einfacheren Aussprache helfen soll. Oftmals aber bereitet es den Ungarn keine großen Probleme, bestimmte Konsonantengruppen zu sprechen. Daher werden diese(!) Bindevokale oftmals weggelassen. Verstanden werden beide Formen ohne Probleme. Dem Ungarisch Lernenden steht es also frei, welchen Weg er hier nun wählen will. Daher standen und stehen diese - aber wirklich auch nur diese - Bindevokale in Klammern.
Eine andere Form der Ausspracheerleichterung aber kann definitiv nicht umgangen werden. Denn alle Verben, deren Wortstamm auf einen Zischlaut endet, also etwa "s", "sz" oder "z", würden dem Sprecher bei der Bildung der 2.Person Einzahl gehörige Probleme bereiten. Denn es würde ja eigentlich ein "sz" angefügt. Statt hier nun mit einem Bindevokal zu reagieren, hat die ungarische Sprache eine Ausnahmeregelung geschaffen: die Endung für solche Verben lautet in der 2.Person Einzahl "-ol/-el/-öl"! olvas
(lesen) tesz
(tun, machen; stellen; legen) főz
(kochen) So schwer sollte diese Ausnahme nicht im Kopf zu behalten sein. Denn beim Bilden der Form wird man Aufgrund der Ausspracheschwierigkeiten sich automatisch an diese Extraformen erinnern.
Kommen wir als nächstes noch einmal auf die Personalpronomen zu sprechen. Wie gesagt: sie können zumeist weggelassen werden, da die Person eindeutig aus der Konjugationsendung hervorgeht. Wer sie trotzdem aus deutscher Gewohnheit heraus nennt, dem wird auch nicht der Kopf abgerissen. In bestimmten Fällen aber werden sie auf jeden Fall eingesetzt; wie schon erwähnt: immer dann, wenn Nachdruck auf die Person gelegt werden soll, von der die Rede ist.
Wo wir schon bei den Personalpronomen sind: es gibt ja Sprachen, wie das Englische aber auch das Norwegische, in denen sich alle Leute duzen, weil die Höflichkeitsanrede entweder aus der Mode gekommen ist oder einfach nicht mehr existiert. Höflichkeit wird dort auf andere Weise ausgedrückt. Nun, die Ungarn ziehen es vor, auf direktem Wege ihre Höflichkeit auszudrücken. Daher existieren hier entsprechende Pronomen, die als Höflichkeitsanrede fungieren. Es sind allerdings keine der bisher erwähnten Personalpronomen. Und da die Ungarn ein sehr höflichen Volk sind, existieren gleich zwei Varianten der höflichen Anrede. Redet man
nur eine Person an, benutzt man "maga"
oder "ön". Im Gegensatz zum Deutschen werden diese Formen stets klein geschrieben - außer natürlich zum Satzbeginn!
Was ist nun der Unterschied zwischen den Formen von "maga" und "ön"? "ön" ist die - wenn man es so nennen will - strenge Form. Es wird immer dann benutzt, wenn sich zwei Personen (völlig) fremd sind. Sie gilt als gefühlsneutral, wird daher in der amtlichen Sprache verwendet, bei offiziellen Anlässen, im Gerichtssaal und so weiter. "maga" dagegen ist eine abgeschwächte Form. Sie wird benutzt von Leuten, die einander kennen, sich aber nicht duzen. In ihr steckt also bereits eine gewisse Vertrautheit zur anderen Person.
So, und was
passiert nun mit dem Verb bei der höflichen Anrede? Die Ungarn benutzen ebenfalls die 3.Person. Jenachdem aber, ob es sich um eine oder mehrere Personen handelt, wird die Einzahl oder Mehrzahlform benutzt.
Allerdings
gilt auch für die Höflichkeitspronomen: sie werden nur benutzt,
wenn der Nachdruck auf die Person gelegt wird.
Nach so viel Regelmäßigkeit folgt nun ein Blick auf jene Verben, die ein paar Besonderheiten in der Konjugation aufweisen. Werfen wir
zunächst ein Blick auf die beiden Spezialfälle "jön"
und "megy". Beides sind Verben
der Bewegung. Und diese Gruppe von Verben hat es bekanntlich in sich -
auch im Deutschen. Allerdings
sagt man trotzdem: "Ich gehe zur Schule" - Dativ! Und das, obwohl
hier eine Bewegung beschrieben wird. Ähnlich verzwickte Vorgaben gibts auch im Russischen. Dort folgt auf die Frage nach dem "Wo?" allerdings der Präpositiv, der 6.Fall! Aber keine Angst, derartige Probleme tauchen im Ungarischen nicht auf.
Die Probleme,
die "jön" und "megy"
verursachen, bestehen in der unregelmäßigen Konjugationsweise. "jön" bedeutet "kommen" - also eine Bewegung auf die Bezugsperson hinzu, so wie wir es auch aus dem Deutschen kennen. Dabei spielt es keine Rolle, wann, wo oder gar wie man kommt. "jön" kann also sehr vielseitig eingesetzt werden. Hier nun seine Konjugation: jön
(kommen) Wie man also sieht, sind nicht die Endungen das Problem sondern der Endkonsonant des Wortstamms. Hier hilft nur auswendig lernen.
Wenn nun "jön" für "kommen" steht, wofür wird dann wohl "megy" stehen? Richtig, fürs "gehen". Gemeint ist damit nun jene Bewegung weg von der Bezugsperson, aber wirklich auch nur diese Art von Bewegung. Jenes andere
"gehen", was wir im Deutschen noch kennen und mit "unbestimmter
Richtungssinn" aber auch mit "funktionieren" gleichsetzen
können, darf ins Ungarische nicht mit "megy"
übersetzt werden! Im Gegensatz zu "megy"... megy(gehen,
sich entfernen) Wie man sieht, hat die 2.Person Einzahl gleich zwei Formen parat. Wohl als vereinfachte Form entstand "mégy", gebräuchlicher aber ist die Form "mész". Ja, und der Infinitiv lautet "menni". Muss man sich merken.
Und nun schaue man sich bitte folgende Frage-Antwort-Kombination an:
Ja, es ist tatsächlich so: wenn im Ungarischen gefragt wird, ob man kommt, weil man gehen will, dann lautet die Antwort "ich gehe". Warum? Das stelle
nun aber die Sprechgewohnheiten auf den Kopf?
Hier noch ein paar weitere Beispiele für "jön" und "megy".
Als nächstes wird nun eine Gruppe von Verben beleuchtet, deren Konjugation zunächst nicht wirklich ungewöhnlich ist. Findet doch schließlich keine Änderung in den Wortstämmen statt und auch die Endungen entsprechen den bisher genannten Regeln und Ausnahmen. Es ist dann aber schließlich der Infinitiv, der aus der Reihe tanzt. Und auch, was die Vergangenheit angeht, ist hier mit entsprechenden Änderungen zu rechnen. Aber dies wird in einem anderen Kapitel beleuchtet. Diese Verben lauten: tesz (tun, stellen, legen, machen), vesz (nehmen, kaufen), visz (tragen, mitnehmen, bringen), hisz (glauben), lesz (werden), eszik (essen) und iszik (trinken) Und allesamt haben sie gemeinsam, dass das "sz" in der Konjugation des Präsens zu einem "n" im Infinitiv mutiert. Dieser ist in der folgenden Tabelle zu oberst aufgeführt; es folgen dann die Konjugationsformen.
Aber moment mal...
Was ist denn
da bei den beiden letzten Verben passiert?
Gleich drei
Fragen auf einmal! Das Verb
"iszik" müsste ja eigentlich
als hochvokalisches Verb gelten, wegen den beiden "i". Hier noch einmal die Konjugation: iszik
(trinken) Und bitte bei der Aussprache von "inni" dran denken: Es werden keine Vokale verkürzt, wenn ein doppelter Mittlaut folgt! Stattdessen wird der Mitlaut länger gesprochen. In diesem Falle also "in-ni".
Was hat es mit der Endung "-ik" auf sich? Ja, das ist
so ein kleiner Pferdefuß bei den ungarischen Verben. Die Wortstämme dieser Verben enden zumeist auf Zischlaute, also "s", "z", "sz" oder "zs".
Umgekehrt gilt allerdings nicht, dass jedes Verb, dessen Stamm auf diese Laute endet, auch ein ik-Verb ist. Fünf Gegenbeispiele wurden drei Seiten vorher aufgeführt. Möglicherweise handelt es sich dabei um ein Relikt aus der urtümlichen Sprache. Denn fast alle ik-Verb stellen Tätigkeiten dar, die gewisse Grundtätigkeiten darstellen - ja, sogar "baszik" gehört dazu, eine sehr derbes Verb für "miteinander schlafen".
Schauen wir uns nun mal an, was sich bei den ik-Verben sonst noch ändert. Hier nun die Konjugation der Verben eszik, alszik und játszik eszik
(essen) alszik (schlafen) játszik
(spielen)
Nun, wie
man sieht, haben die ik-Verben einen Hang zur unregelmäßigen
Bildung des Infinitivs. Die 1.Person aber wird auf "-om/-em/-öm" bebildet statt "-ok/-ek/-ök". Übrigens, nimmt man es in der Umgangssprache nicht ganz so ernst mit dieser Form der 1.Person Einzahl. Sehr oft ist statt "eszem" ein "eszek", statt "játszom" ein "játszok" zu hören.
Ja, aber damit sind die unregelmäßigen Verben noch nicht abgeschlossen. Es fehlt noch eine Gruppe von fünf Verben, die allesamt einsilbig sind und im Wortstamm auf "ó" bzw. "ő" enden. Sie lauten: nő (wachsen), fő (kochen, sieden), lő (schießen), sző (weben) und ró (rügen; einkerben). Erinnern wir uns an jene Substantive, die die gleichen Eigenschaften aufweisen - die sogenannten v-Stämme. Auch sie sind in ihrer Mehrzahlbildung deutlichen Veränderungen unterworfen. Bei der Konjugation dieser Verben nun sei an die Konjugation von "jön" erinnert, die ja sehr wechselhaft ist, was ihren Stamm angeht. Aber wenn man diese Konjugation beherrscht, dann sind diese fünf Verben keine großen Probleme mehr. Denn nach dem Schema von "jön" erhalten ihre Wortstämme entsprechende Erweiterungen, mit Ausnahme der 3.Person Einzahl.
Und wie man sieht, ändert sich auch der Stammvokal in den 1.Personen. Er wird verkürzt. Auch dieses Fänomen dürfte von den "v-Stämmen" der Substantive her bekannt sein.
Hier nun ein paar Beispiele für die v-Stamm-Verben:
Der zweite Beispielsatz lautete: A víz fő. "fő"
steht also für kochen? Also:
Teilweise sagt man das ja auch im Deutschen so.
Ja, und der dritte Satz von vorhin...
Nun, der Satz mag nicht sehr viel Sinn ergeben. Aber ich kriegte ihn einmal zu hören, als ich wissen wollte, was denn nun das Wort "nő" eigentlich bedeute. Die Antwort war gewissermaßen ein Wortspiel. Im Ungarischen hat "nő" also zwei Bedeutungen. Zum einen ist es als Substantiv "die Frau" und als Verb eben "wachsen". Und wie man erkennen kann, steckt im Wort "növény" für "die Pflanze" das Verb "nő". Man könnte daher sagen, dass "növény" grammatikalisch gleichsetzbar ist mit dem deutschen "Gewächs". Und "der Wuchs" ist im Ungarischen "növés".
All diese Sätze nun, die bisher als Beispiele gebracht wurden, haben eines gemeinsam: sie haben unbestimmten Charakter, wirken recht beliebig. Oder aber es handelte sich um Verben, die intransitiven Charakter haben, also kein Ergänzung verlangen. Das liegt daran, dass eben bisher nur die unbestimmte Konjugation besprochen wurde. Wie aber schon zu Anfangs erwähnt gibt es im Ungarischen noch die sogenannte bestimmte Konjugation. Bevor wir da nun voll einsteigen, will ich erst einmal das Augenmerk auf eine Sonderform lenken...
Die berühmten drei Worte auf ungarisch sehen so aus:
Gut, aber hieß es denn nicht, dass man anhand der Endungen die Person erkennen kann? Wie bitte schön soll denn nun aus einer Endung klar werden, welche Person welche so sehr lieb hat?
Nun, die
1.Person Einzahl von "szeret" lautet
eigentlich "szeretek"! Und dieses erweiterte Suffix muss immer dann benutzt werden, wenn das Subjekt eines Satzes in der 1.Person Einzahl steht und das Objekt in der 2.Person Einzahl oder Mehrzahl. Steht das Objekt in der Mehrzahl, dann wird es erwähnt; steht es aber in der Einzahl, dann kann es weggelassen werden. Seine Existenz wird durch diese außergewöhnliche Endung klar.
Wenn der Stamm des Verbs auf zwei Konsonanten endet oder auf einen langen Vokal gefolgt von einem "t", kommt der besseren Aussprechbarkeit noch ein Bindevokal ins Spiel. Aus "-lak/-lek" wird dann also "-alak/-elek". Diese Regelung wird aber in der Umgangssprache oft ignoriert, wenn das ganze trotzdem aussprechbar sein sollte.
Damit gehe ich nun von der unbestimmten zur bestimmten Konjugation über. Im Deutschen spielt es ja keine Rolle, ob das Objekt eines Satzes bestimmten oder unbestimmten Charakter hat, es gibt nur eine Konjugation. Und diese Angewohnheit findet man auch in allen (indo-)europäischen Sprachen wieder. Aus diesem Grund erscheint es sehr ungewöhnlich, dass nun im Ungarischen gleich zwei Konjugationen auftreten. Aber die ungarische Sprache hat nun einmal die Angewohnheit, möglichst viel mit möglichst wenig Worten auszusagen. Also werden Informationen verdichtet. Und somit wird der Hörer durch das Benutzen der bestimmten Konjugation gewissermaßen auf etwas ganz Bestimmtes vorbereitet. Man ahnt also schon, dass da jetzt nichts Allgemeines sonders etwas ganz Spezielles vermittelt werden soll. Dieses Sprachgefühl haben die Ungarn intus. Für einen Ausländer braucht es allerdings eine ganze Weile, bis er dieses Sprachgefühl ebenfalls entwickelt.
Schauen wir uns nun einmal die bestimmte Konjugation an im Vergleich zur unbestimmten. Auch hier wird wieder unterschieden zwischen hoch- und tiefvokalischen Verben. Zunächst ein Blick auf die tiefvokalischen Verben:
Und wenn man es genau nimmt, sind die Konjugationsendungen nichts anderes als Besitzerzeichen der Verben, denn sie geben ja an, auf welche Person die Handlung bezogen ist. Die gleiche Analogie zu den Besitzerzeichen der Substantive finden wir bei der 1. und 2.Person Mehrzahl der unbestimmten Konjugation. Aber naja, das sind nur kleine Eselsbrücken. Letzten Endes muss man die Endungen auswendig lernen, um sie richtig zu beherrschen und einzusetzen.
Schauen wir uns also noch ein paar Beispiele für tiefvokalische Konjugationen an. BK = bestimmte Konjugation, UBK = unbestimmte Konjugation vár
(warten) tanul
(lernen)
Kommen wir nun als nächstes zu den hochvokalischen Verben. Wie sehen hier nun die Suffixe für die bestimmte Konjugation aus. Nun, ein wenig anders.
Das sind wohlgemerkt die Normalsuffixe der bestimmten Konjugation für die hochvokalischen Verben.
Da es aber noch eine Gruppe von Verben gibt, die hochvokalisch sind und als letzten Stammvokal ein ö, ő, ü oder ű haben, ändern sich in der 1. und 2.Person Einzahl die Bindevokale der Suffixe.
So, und jetzt solltest du sogar schon in der Lage sein, "Bitte" und "Danke" auf ungarisch zu sagen. Allerdings
ist das mit dem "Bitte"-Sagen im Ungarischen nicht ganz so einfach
wie im Deutschen.
Das "bitte" im Sinne von "bitte schön, hier ist es" oder "Bitte, wenn Sie so wollen..." wird durch ein anderes Wort ausgedrückt: "tessék". Und auch, wenn es an der Tür klopft oder nach einem gerufen wird, antwortet man mit "Tessék."
Und, kannst Du auch ordentlich "Tessék!" sagen? Ein langgezogener "sch"-Laut muss vernehmbar sein. Kein "tässäk", "tässeek" oder so. Denn das würde der Ungar als "teszek" auffassen, was "ich mache / ich tue" bedeutet. So, nachdem das mit dem "Bitte"-Sagen nun geklärt ist, ist das "Danke"-Sagen nun wirklich kein Problem. Man sagt
einfach "Köszönom." -
"(Ich) Danke." Will man noch etwas freundlicher sein beim Bitten um etwas und dem Danken dafür, fügt man hinter das entsprechende Wort noch ein "szépen" ("schön") ein.
So wurde
in einer Werbung für das Postbank-Sparbuch Anfang der 1990er Jahre
ein peinlicher Schnitzer begangen. Ein Tourist dankte am ungarischen Postschalter
in seinem besten Ungarisch: "Kö-ßö-nöm",
las er aus einem Buch ab. Und auch
heute werden immer noch Fehler gemacht.
Nach diesem Exkurs in Ausspracheübung nun wieder zurück zur bestimmten Konjugation. Schauen wir uns noch ein paar Beispiele an für die hochvokalische Konjugation. ért
(verstehen) ismer
(kennen)
Als wichtige Redewendungen sollte man sich neben "kérem" und "köszönöm" daher noch folgendes merken:
Wie man nun
bei den Endungen der bestimmten Konjugation sehen kann, ist jenach Vokalismus
des Verbs in einer bzw. vier Personen ein "j"
in der Endung beteiligt. olvas
(lesen) hoz
(bringen, holen, tragen) vesz
(nehmen, kaufen)
Aufgepasst
mit der Aussprache der Formen von "hoz"!
"Er bringt es (zu) ihm" heißt allerdings auf ungarisch "Neki Hozza."
Und war es
das jetzt mit den Ausnahmen? Schauen wir
uns aber trotzdem nochmal die Konjugationen von "eszik"
und "iszik" an. eszik
(essen) iszik
(essen)
Die Verben "jön" und "megy" bereiten in der bestimmten Konjugation keine Probleme - nämlich schlicht und einfach deshalb nicht, weil sie als intransitive Verben keine bestimme Konjugation haben können. Allerdings gibt es da noch jene v-Stamm-Verben, also nő, fő, lő, sző und ró. Wir wissen ja bereits, dass die ein wenig speziell sind, was ihre Konjugation angeht. Nun, das gilt auch für deren bestimmte Konjugationsformen. Kleiner Trost: nő und fő sind intransitiv, brauchen hier also nicht nochmal aufgeführt werden. lő
(schießen) sző
(weben) ró
(rügen; einkerben)
Damit wären nun die Besonderheiten in der Konjugation des Präsens allesamt abgehandelt. Es folgt nun die große Frage: Wann ist eine Satzaussage bestimmt und wann ist sie unbestimmt? Denn danach richtet sich ja schließlich der Gebrauch der beiden Konjugationsformen. Schauen wir uns zunächst ein paar Beispiele an:
Einmal also liest Robert einfach nur Zeitung. Im zweiten Satz heißt es, dass er die Sportzeitung liest. Aha! "Ich
möchte etwas trinken", nach dem Motto, völlig egal was,
Hauptsache, es löscht den Durst. Und im dritten Beispiel schaut sich eine Gruppe zunächst irgendeinen Film an. Im bestimmten Beispiel aber heißt es dann, man schaut sich "Der dritte Mann" von Orson Welles an. Es wird also klar bestimmt, was geschaut wird.
Noch ein
Beispiel, um den Unterschied zu verdeutlichen.
Anders sieht es hier aus:
Was auch immer "es" nun sein mag, auf jeden Fall gehts darum, ob "es" nun gesehen wird oder nicht. Bestimmter Charakter des Satzes!
Nun kann man sich in gewissen Fällen streiten, ob hier nun Bestimmtheit oder Unbestimmtheit vorliegt. Oftmals aber löst sich das Problem dadurch, dass gar kein bestimmtes Objekt vorliegen kann, da ein intransitives Verb im Spiel ist. "van" zum Beispiel ist intransitiv. Aber gibt es nicht doch noch ein paar mehr Hinweise, an denen man mit Bestimmtheit erkennen kann, welchen Charakter ein Satz hat? Natürlich gibt es die! Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Merkmale die ungarische Sprache parat hat, um Bestimmtheit auszudrücken.
Das mit Abstand wichtigste Merkmal ist der Artikel. Aus deutscher Sicht mögen die ungarischen Artikel wie eine Art Zierrat in der Sprache wirken, denn jene Funktion der Geschlechteranzeige ist ja im Ungarischen nicht gegeben. Und sie ändern auch ihr Aussehen nicht. Aber nicht umsonst unterscheidet man auch im Ungarischen zwischen BESTIMMTEM und UNBESTIMMTEM Artikel. Wenn also vor einem Objekt der bestimmte Artikel steht, dann erhält dadurch die Satzaussage bestimmten Charakter. Es ist eben nicht "ein Baum" sondern "der Baum", nicht "eine Blume" sondern "die Blume". Wenn wir im Deutschen den bestimmten Artikel benutzen, erwartet der Zuhörer auch, dass ihm entweder schon der entsprechende Gegenstand bekannt ist oder ihm noch ein paar Informationen geliefert werden.
Ein weiteres Indiz für Bestimmtheit ist die Verwendung von Eigennamen. Das macht auch sehr viel Sinn, denn ein Eigenname spezifiziert schließlich eine Person, ein Lebenwesen, eine Sache. Auch geografische Bezeichnungen gehören selbstverständlich dazu.
Ebenfalls als bestimmt gilt eine Satzaussage auch dann, wenn sie durch einen eigenen Satz - also quasi Nebensatz - ausgedrückt wird. In diesem Falle kann am Ende des Hauptsatzes immer noch ein "azt" hinzugedacht werden, was man ins Deutsche sinngemäß mit "es" übersetzen kann.
Das wären
nun im Großen und Ganzen jene Hinweise auf die Bestimmheit einer
Satzaussage. Daher folgen nun Hinweise auf unbestimmte Satzaussagen.
Analog zu
den bereits gemachten Ausführungen über die Artikel im Ungarischen
kann man nun ableiten: ein unbestimmter Artikel deutet auf Unbestimmtheit
in der Satzaussage hin. Steht kein Artikel oder ein unbestimmter Artikel, dann ist die Satzaussage unbestimmt.
Wird eine Satzaussage durch die Nennform eines Verbs ausgedrückt, ist sie ebenfalls unbestimmt - allerdings nur so lange, wie es keine bestimmte Ergänzung gibt.
ABER:
Ebenfalls unbestimmt ist eine Satzaussage, wenn sie durch ein Fragewort ausgedrückt wird.
Zum Abschluss dieses Kapitels noch ein Hinweis zum Gebrauch des Präsens. Wir Deutschen
nehmen es ja mit der Zukunft nicht so genau - eine rein grammatikalische
Aussage ohne politischen Hintergedanken!
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Autor: Andreas Kraneis
© 2003